Die Freie Universität Berlin verlangt Gebühren in Höhe von 350 bis 500 Euro für die Beantwortung der IFG-Anfrage.[1] Nichtsdestotrotz liegen bereits jetzt eingeschränkt öffentlich verfügbare Informationen vor.
Wie durch verschiedene Berichte des Tagesspiegels bekannt wurde, finanziert die chinesische Regierung an der Freien Universität unter anderem einen Studiengang für chinesische Sprache.[2] Durch diese Kooperation erhält die Freie Universität über fünf Jahre eine Förderung in Höhe von 491.080 Euro für die Finanzierung einer Professur für chinesische Sprache, pro Jahr entspricht dies 98.216 Euro. Außerdem bezuschusst Hanban den Einkauf von Büchern und Datenbanken in Höhe von 10.000 Euro pro Jahr über die Vertragslaufzeit von fünf Jahren. Ein aus China entsandter Chinesisch-Lektor steht der Freien Universität außerdem kostenlos zur Verfügung,[3] der finanzielle Gegenwert dieser Stelle beträgt pro Jahr 68.294,64 Euro.[4]
Der Vertrag zwischen Hanban und Freier Universität ist an vielen Stellen problematisch: So unterwirft sich die Freie Universität einer jährlichen Evaluation durch die chinesische Regierung. Um diese Überprüfung durchzuführen, stellt die Freie Universität dem Hanban unter anderem Lehrpläne des Studiengangs, Seminarpläne, Listen der erworbenen Bücher sowie einen Bericht über die Arbeit des zuständigen Professors zur Verfügung.
Auf Grundlage dieser Berichte kann der Hanban jedes Jahr entscheiden, die Förderung zu beenden. Ebenfalls kann die chinesische Regierung den Vertrag beenden, sofern die Freie Universität gegen chinesische Gesetze verstößt. Der gesamte Vertrag unterliegt ausschließlich chinesischem Recht und mögliche Streitigkeiten müssen vor einem chinesischen Schiedsgericht geklärt werden.
Sofern von diesen chinesischen Instanzen festgestellt wird, dass die Freie Universität gegen chinesisches Recht verstoßen hat oder aber die Freie Universität selbst den Vertrag beenden will, so muss sie sämtliche erhaltene Gelder an die chinesische Regierung zurückzahlen. So entsteht für die Universität ein hohes finanzielles Risiko, welches zu Selbstzensur führen kann.
Aufgrund der im Vertrag enthaltenen problematischen Stellen sowie damit einhergehendem öffentlichen Druck hat die Berliner Senatskanzlei die Freie Universität aufgefordert, den Vertrag nachzuverhandeln. Insbesondere, dass chinesisches Recht gilt sowie die Schlichtung durch das Schiedsgericht sind laut Berliner Regierung nicht akzeptabel.[5]
Neben den Zuwendungen für den Studiengang erhielt das Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin im Zeitraum 2006 bis 2019 insgesamt 1.583.399,92 Euro vom chinesischen Erziehungsministerium, durchschnittlich gingen dem Institut also 113.099,99 Euro jährlich aus China zu.[6] Mit diesem Geld werden auch Chinesischkurse für Studierende der Freien Universität Berlin im Studienbereich „Allgemeine Berufsvorbereitung“ finanziert.[7] In der Regel bot das Konfuzius-Institut acht Semesterwochenstunden für Studenten der Universität an, dies entspricht etwa einer 50%-Stelle.[8] Somit spart die Universität jährlich mindestens 34.040,40 Euro.[9]
Die Universität ist laut Medienberichten weiterhin in zwei Fällen mit Formulierungen aufgefallen, die Selbstzensur vermuten lassen. Im Zuge der Berichterstattung über den aus China finanzierten Studiengang betonte die Freie Universität etwa, dass sie „die Geschehnisse von 1989 in China“ in dem Studiengang behandeln würde, ohne hier aber klar vom Tiananmen-Massaker an chinesischen Studierenden zu sprechen.[10]
In einem weiteren Fall änderte die Freie Universität ihre eigene Gründungsgeschichte ab: Beim Antrag für die Finanzierung des erwähnten Chinesisch-Studiengangs spricht die Universität nicht – wie sonst üblich – von ihrer Gründung „als Antwort auf die Verfolgung systemkritischer Studierender“ an der Humboldt-Universität in Ostberlin. Es heißt lediglich, dass die Freie Universität „als Antwort auf die Humboldt-Universität“ gegründet worden sei. Der Medienbericht resümiert, dass „keine Rede mehr von verfolgten systemkritischen Studenten [ist], die an die brutale Niederschlagung beim Massaker am Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989 erinnern könnten.“[11]
Außerdem erarbeitete die Freie Universität zusammen mit der Peking Universität ein „Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus“. Dieses wird laut Medienberichten von chinesischer Seite gefördert und muss – wie alle chinesischen Publikationen – von den parteistaatlichen Zensurbehörden abgenommen werden.[12]
Zudem ist der Geochemiker Wang Zaicong, der sich selbst als „Postdoctoral Researcher“ an der Universität beschreibt, zugleich Teil des „Thousand Talent“-Programms der chinesischen Regierung.[13]
Zuwendungen aus China pro Jahr: mind. 210.551,04 Euro
[1] FragDenStaat-Anfrage an die Freie Universität Berlin vom 09.02.2020 (https://fragdenstaat.de/anfrage/zuwendungen-aus-china-6)
[2] Hinnerk Feldwisch-Drentrup, „Senat will von China finanzierte Professur an der FU überprüfen“, Der Tagesspiegel, 17.01.2020 (https://www.tagesspiegel.de/wissen/umstrittene-konfuzius-institute-senat-will-von-china-finanzierte-professur-an-der-fu-ueberpruefen/25444134.html); Hinnerk Feldwisch-Drentrup, „Wie sich die FU an chinesische Gesetze bindet“, Der Tagesspiegel, 29.01.2020 (https://www.tagesspiegel.de/wissen/umstrittene-finanzierung-einer-china-professur-wie-sich-die-fu-an-chinesische-gesetze-bindet/25484672.html)
[3] Vertrag zwischen Hanban und Freier Universität Berlin zur Finanzierung eines Chinesisch-Studiengangs (https://fragdenstaat.de/dokumente/3731)
[4] Berechnet auf Grundlage einer Bezahlung nach TV-L E13, Stufe 2, monatliches Arbeitgeberbrutto: 5.691,22 € (https://kurzelinks.de/6hjz)
[5] Tilmann Warnecke, „FU muss umstrittene China-Professur nachverhandeln“, Der Tagesspiegel, 25.02.2020 (https://www.tagesspiegel.de/wissen/senatskanzlei-haelt-vertrag-fuer-nicht-akzeptabel-fu-muss-umstrittene-china-professur-nachverhandeln/25579972.html)
[6] Abgeordnetenhaus Berlin, Schriftliche Anfrage zum Thema Stiftungsprofessur zum Aufbau eines Lehramtsstudiengangs Chinesisch und Antwort, Drucksache 18/22981 (https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-22981.pdf)
[7] Informationen der FU Berlin zur Kooperation zwischen Universität und Konfuzius-Institut (https://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2020/fup_20_031-stiftungsprofessur-didaktik-des-chinesischen-sowie-sprache-und-literatur-chinas/faq/faq/yyy2.html); Abgeordnetenhaus Berlin, Schriftliche Anfrage zum Thema Kooperation des Berliner Konfuzius-Instituts mit der Freien Universität und Antwort, Drucksache 18/22055 (https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-22055.pdf)
[8] Vorlesungsverzeichnis der Universität (https://www.fu-berlin.de/vv/de/search?utf8=%E2%9C%93&query=ABV+chinesisch&query_option=1&sm=580670)
[9] Berechnet auf Grundlage einer Bezahlung nach TV-L E13, Stufe 2, monatliches Arbeitgeberbrutto: 2836,70 €
[10] Hinnerk Feldwisch-Drentrup, „Wie sich die FU an chinesische Gesetze bindet“, Der Tagesspiegel, 29.01.2020 (https://www.tagesspiegel.de/wissen/umstrittene-finanzierung-einer-china-professur-wie-sich-die-fu-an-chinesische-gesetze-bindet/25484672.html)
[11] Hinnerk Feldwisch-Drentrup, „Wie sich eine deutsche Elite-Uni dem Regime in China andient“, Welt am Sonntag, 25.05.2020 (https://www.welt.de/politik/deutschland/plus208121269/Freie-Universitaet-Berlin-Wie-eine-deutsche-Elite-Uni-sich-China-andient.html)
[12] Ebd.
[13] LinkedIn-Profil von Wang Zaicong (https://www.linkedin.com/in/zaicong-wang-47a78926), Website der chinesischen Botschaft in Deutschland (http://de.china-embassy.org/chn/sgyw/t1358229.htm)